Wellers Wahre Worte
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Juli 2001

Ganz entspannt im Hier und Unten

Überlegungen zu Sinn und Unsinn des Massentourismus und seinen todsicheren Alternativen



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Urlaubszeit, Reisezeit - sehnlichst erwartet und oft genug doch nur eine Zeit neuen Ungemachs: Endlose Staus im Kreiselverkehr rund um München, auf Mallorca Streiks geldgieriger Busfahrer, suizidale Piloten, die ihre letzten Lebensminuten nicht alleine verbringen wollten, Abu Sayyaf Rebellen, die kein Verständnis für die Tropenkrankheiten ihrer entführten Touristen aufbringen und als einzige Therapie die Enthauptung kennen, einstürzende Hotelneubauten in der erdbebengeschüttelten Türkei… von gestohlenen Autos, geklauten Handtaschen, verlorenen Digital Camcorders ganz zu schweigen.
     Es gibt also gute Gründe, den lange herbeigesehnten Urlaub vorsorglich in einem atombombensicheren Bunker 50 Meter unter dem Keller des eigenen Einfamilienhauses zu verbringen. Dies nämlich legt eine kürzlich publik gemachte Studie nahe.

Psychologen der Universität Tübingen hatten zwei Testgruppen zusammengestellt:

  • eine verbrachte ihren Urlaub auf konventionelle Weise in einem Land ihrer Wahl, zumeist benzin- oder kerosinintensiv,
  • die andere Gruppe verbrachte ihren Urlaub in – immer noch spärlich gesäten – Atombunkern.

Jede der beiden Gruppen zählte 50 Personen, die sich in einer Vorauswahl als repräsentative Urlauber beweisen mussten.

Das erstaunliche Ergebnis:

Die Teilnehmer der Gruppe »Bunker« zeigten sich am Ende des Urlaubs deutlich entspannter, dagegen äußerten in der Gruppe »Konventionell« ca. 60% der Probanden, eigentlich brauchten sie einen weiteren Urlaub, um sich von den vorangegangenen Strapazen wieder erholen zu können.

Typisch für die Gruppe »Konventionell« waren folgende Nachbetrachtungen:

»Das Auto ist nach dem Unfall hin und Geld bekomme ich auch keines, die fahren doch alle ohne Haftpflicht..« (Heinz K., nach seiner Rückkehr aus Kalabrien)

»Ob ich es wieder tun würde? Keine Ahnung.« (Sven F., nach einem missglückten Bungee-Jumping im Grand Canyon querschnittgelähmt.)

»Gestern war ich beim Scheidungsanwalt.« (Anja S., die sich auf der Hinfahrt beim Disput über die richtige Route mit ihrem Ehemann hoffnungslos zerstritten hatte.)

Im erstaunlichen Kontrast dazu die Rückblicke von Teilnehmern der Gruppe »Bunker«:

»Echt extrem, Wahnsinn, nach diesen 4 Wochen bin ich voll relaxed. (Claudius L, der bereits Urlaubserfahrungen in survival camps gesammelt hatte.)

»Man fühlt sich halt total sicher, nach einigen Tagen stellt sich eine anhaltende Tiefenentspannung ein. Tolle Erfahrung!« (Herbert W., Sozialabeiter, der einfach mal »ganz abtauchen« wollte.)

»Das hat etwas Besonderes, vor allem laufen einem nicht ständig Massentouristen über den Weg.« (Anouschka. R., Schauspielerin, ständig auf der Flucht vor ihren Fans.)

»Ich habe mich in diesen Wochen mit meiner Endlichkeit auseinandersetzen können, 50 Meter unter der Erde, das war ja fast wie begraben.« (Christian A., 62, Dialyse-Patient.)

Gewiss wäre es übertrieben, diese Erfahrungen allzu sehr zu verallgemeinern, schließlich fehlen für die Umsetzung eines entsprechenden Konzeptes einstweilen die erforderlichen Kapazitäten.
     Dennoch weist das Experiment der Tübinger Psychologen in die richtige Richtung: Weg vom Massentourismus, der mittlerweile fast jeden Ort der Welt entweiht hat, hin zu einem individuell verbrachten Urlaub, der überdies die Ressourcen schont.

 
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